Immer wieder kamen Fremde nach Afghanistan, die das Land als Schlachtfeld für ihre imperialen Phantasien und Strategien benutzten – und sich regelmäßig blutige Nasen holten. Wenn nicht in der offenen Feldschlacht, dann später, bei Scharmützeln mit Aufständischen und wankelmütigen Stammeskriegern, deren Loyalität man sich mit Geld erkaufen konnte, was aber keine Garantie für lange andauernde Allianzen war. Im Great Game in den 20er- und 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts rangen vor allem Briten und Russen um Einfluss im zentralasiatischen Raum. Da wurde spioniert und intrigiert und versucht, den jeweils herrschenden Clan auf seine Seite zu ziehen. Mit Geld oder Drohungen oder Versprechen.
Afghanistan war so etwas wie der natürliche Puffer zwischen dem expansionslüsternen Zarenreich, das in Richtung Süden eroberte, was immer zu erobern war, und dem britischen Empire, dessen Herrschaft auf dem indischen Subkontinent damals schon die längste Zeit bestanden hatte.
Im aktuellen Konflikt, der seine Wurzeln in den Siebzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts hat, waren es zunächst sowjetische Invasoren, die Afghanistan zu unterwerfen suchten. Gegen die sich schon wenig später im Land selbst Widerstand regte: Welche Überraschung. Diese Resistance – die Mujaheddin – wurde in einer konzertierten Aktion von pakistanischem und amerikanischem Geheimdienst orchestriert und gepäppelt.
Die Weltanschauung der Widerständler war den Strippenziehern letztlich egal, solange sie nur gegen die Sowjets kämpften. Und so erklärt sich auch die Schlagkraft der Taliban, die am Ende die Macht in Kabul übernahmen. Der Keim für die fundamentalistische Bewegung wurde in Religionsschulen in Pakistan gelegt, in denen Prediger den afghanischen Flüchtlingen eine besonders rigide Auffassung islamischer Lehren vermittelten. Der Konflikt wurde auch durch den Afghanistan-Krieg nicht gelöst, ganz im Gegenteil. Nachdem ihr Einfluss zunächst eingedämmt wurde, gewannen die Taliban – nicht zuletzt begünstigt durch viele Fehler der fremden Truppen im Land – wieder zunehmend an Einfluss.
Der permanente Krieg generiert einen permanenten Flüchtlingsstrom. Zunächst flüchteten die Afghanen in ihre Nachbarländer (vor allem nach Pakistan, mit fatalen Folgen), später kamen viele von ihnen nach Europa. In Deutschland stellten Afghanen in den letzten Jahren regelmäßig das Gros der Asylanträge von nicht-europäischen Flüchtlingen. Gründe, das Land zu verlassen, gab und gibt es genug. Wäre das anders gewesen, wenn sich vor allem die Sowjetunion und die USA nicht in den afghanischen Bürgerkrieg eingeschaltet hätten? Die Frage ist müßig, lässt sich allenfalls mit denkbaren Szenarien beantworten. Es gibt genug Bürgerkriege auf der Welt, die auch ohne äußere Einmischung hervorragend funktionieren. Doch viele der Probleme, mit welchen die letzten Invasoren Afghanistans, seit Jahren kämpfen, haben sie sich selber zuzuschreiben.
So gesehen steht das ewig unruhige Land beispielhaft für viele Krisenherde auf der Welt. Und für viele zwischenstaatliche Beziehungen, die nicht nach grundsätzlichen Erwägungen, sondern überwiegend unter utilitaristischen Gesichtspunkten gepflegt werden.